Allerdings. Ringelnatz in Hamburg
Joachim Ringelnatz, der eigentlich Hans Gustav Bötticher hieß, ist heute noch vielen Menschen ein Begriff. Er war Schriftsteller, Kabarettist und Maler und bezeichnete sich selbst als "Artist". Zur Zeit der Weimarer Republik erfreuten sich seine humoristischen Gedichte, Erzählungen und Kinderbücher großer Beliebtheit. Besonders erfolgreich waren die Geschichten rund um Kuttel Daddeldu, einem obszönen, gewalttätigen Seemann. Meist schrieb Ringelnatz mit Leichtigkeit und Witz über den schweren Alltag in den 20er und 30er Jahren. Der Schauspieler Frank Roder lässt den Künstler Ringelnatz auf dem Hamburger Theaterschiff wiederauferstehen.
Vielleicht ist das Aussehen des Schauspielers mit ein Grund für den Erfolg des Soloprogramms "Allerdings. Ringelnatz", denn Frank Roder und Joachim Ringelnatz sehen sich physiognomisch sehr ähnlich. Es ist durchaus möglich, dass sich Roder durch die äußere Ähnlichkeit dem Autor nahe fühlt. Was auch immer der Grund ist, seine Darstellung ist überzeugend. Aus den Werken Ringelnatz wählte er Gedichte unterschiedlicher Länge und auch einige Erzählungen aus, mit denen er das Leben und die Gedankenwelt anschaulich auf die Bühne bringt.
Inszeniert wurde die Aufführung von der Regisseurin Sylvia Richter. Sie lässt Roder/ Ringelnatz immer wieder in eine alte Seemannskiste greifen, um alte Briefe und Texte herauszuziehen. Die Worte liegen Roder, das merkt man. Der Schauspieler liest nuanciert und pointiert vor. Sein Vortrag wirkt so authentisch, als hätte er die Zeilen tatsächlich selbst geschrieben. Er führt dem Publikum vor Augen, wie aktuell die Werke Ringelnatz nach wie vor sind, sie haben in den fast 100 Jahren ihres Daseins nichts an Aktualität verloren. So fragt er unter anderem nach dem Texter des Steuerbogenformulars. Und eines merkt man: Der Dichter hatte stets Geldsorgen. Dies liest man nicht nur in seinen Gedichten und Erzählungen, auch Bettelbriefe und Dankesschreiben werden dem Publikum nicht vorenthalten. Die ganze alltägliche, normale Welt von Ringelnatz, sozusagen.
So kann auch der größte Ringelnatz-Kenner noch Neues erfahren, denn der Dichter wird hier nicht nur durch seine bissigen und wortgewandten Sätze zum Leben erweckt, sondern er gewährt auch einen Blick hinter die Kulissen. Der Privatmann Joachim Ringelnatz! Auch wenn das Publikum noch immer seine Gedichte auswendig aufsagen kann, bei der privaten Korrespondenz lauscht jeder nachdenklich.
Frank Roders Vortrag und Umsetzung sind fast nicht zu überbieten. Er haucht nicht nur dem vielschichtigen Charakter des Schreibers Leben ein, er malt auch ein anschauliches Bild der damaligen Zeit. Geplagt von Weltwirtschaftskrise, Inflation und einem heraufziehenden Weltkrieg, ging den Menschen trotzdem ihr Humor und ihre Lebenslust nicht verloren.
Kein Wunder, dass es am Ende vom noch immer schmunzelnden Publikum tosenden Applaus gab. Auch wenn Ringelnatz nicht jedermanns Sache ist, dieser Abend ist eine gute Gelegenheit, ihn von einer anderen Seite kennenzulernen. Man kann jedem nur empfehlen, den Abend zu genießen, Ringelnatz eine Chance zu geben und ihn vielleicht für sich zu entdecken.
"Allerdings. Ringelnatz" läuft noch bis April 2018 im Hamburger Theaterschiff "Das Schiff".