"Anne" nach Vorlage der Tagebücher der Anne Frank
Im Ernst Deutsch Theater in Hamburg wurde ein Theaterstück aufgeführt, welches sich schlichtweg "Anne" nennt. Das Stück beruht auf den Tagebüchern der bekannten Anne Frank, ein Mädchen, welches von ihrem Leid und ihrem Schicksal in der Zeit der Nationalsozialisten schreibt. Die jüdische Familie Frank hielt sich vom 06. Juli 1942 bis zum 04. August 1944 im Hinterhaus in Amsterdam, in der Prinsengracht 263, vor den Nazis versteck. In ihren Tagebüchern erzählt die junge Anne vom trüben Alltag und der täglichen Angst, entdeckt zu werden. Acht Personen leben auf engstem Raum, in nahezu unmenschlichen Verhältnissen. Die Träume der jungen Anne erscheinen für den heutigen Menschen nahezu als alltägliche, normale Vorstellungen. Anne träumt davon, ein Bad zu nehmen, ausgiebig zu schlemmen, in Paris zu leben, dort zu studieren und Schriftstellerin zu werden.
Dieser Traum der jungen Anne ist der Anfang des Bühnenstücks. Zu Beginn befinden wir uns in einem kleinen Café in den Straßen von Paris, Frankreich. Nach dem Ende des Krieges trifft sich Anne mit ihren Freundinnen auf ein Date, um zu plaudern und sich über den Alltag zu freuen. Anne wirkt besonders fröhlich und glücklich. Unfassbar hungrig ist die junge Anne sowohl auf das Leben, als auch auf geschmackvolles Essen. Sie stellt dar, jahrelang kaum gegessen zu haben. Ihre einzige Nahrung war die Sprache. Mithilfe derer und ihrer geschriebenen Tagebücher wendet sie sich an den Verleger Oliver Warsitz. Dieser, welcher später auch ihr Liebhaber und ihre große Liebe darstellt, soll aus ihrer niedergeschriebenen und erzählten, eigens erlebten Geschichte, ein Buch machen und ihren großen Traum, Schriftstellerin zu werden, erfüllen.
Die Kommunikation mit Oliver Warsitz, dem Verleger, geschieht nahezu nebenbei, Warsitz agiert als Beobachter am Bühnenrand. Anne springt in der Kommunikation mit ihm kommentierend aus dem eigentlichen Geschehen. Anfangs wirkt diese Darstellung besonders spannend und gelungen, im Laufe des Theaterstücks rückt diese Darstellung jedoch allmählich in den Hintergrund und in Vergessenheit.
Der Fokus des Stücks, dessen Ausgang weltbekannt ist - die Familie wird nach zweijährigem Verstecken in ihrem Haus von den Nazis entdeckt und schließlich ins Konzentrationslager nach Bergen-Belsen verfrachtet, in welchem sie auf tragische Art und Weise sterben - liegt weniger auf der Todesangst der jungen Anne und ihrer Familie. Vielmehr bemüht sich das Stück darum, die schlechten und unmenschlichen Verhältnisse dennoch in eine art Alltag mit einer gewissen Würde zu verwandeln. Diese Art lässt das Geschehen rund um Anne und ihre Familie vielmehr als eine Art Spiel erscheinen. Anne, gespielt von Kristin Suckow, wirkt als lebendige, fast schon zu sehr aufgekratzte, freudige junge Dame, welche fast schon mit dem Charakter der Pipi Langstrumpf verglichen werden kann. Das kleine Mädchen wirkt für ihre Erlebnisse und ihre Angst etwas zu fröhlich und zu aufgeweckt.
Eine kleine Schwäche des ansonsten sehr einprägsamen Stücks ist die herrschende Redundanz. Eine viel größere Schwäche ist jedoch, dass der Krieg als eigentlich wesentlicher Gesichtspunkt, die Angst und der Schrecken sowohl der damaligen Zeit, als insbesondere auch der acht Familienmitglieder der Familie Frank, so stark an Gewicht verliert und neben all den freudigen Aspekten der Anne schlichtweg in den Hintergrund tritt.
Das meint der NDR dazu: Link