Kritik zu "Die Physiker" in Hamburg
Schaltet man abends den Fernseher ein wird man schier erschlagen von Unglück und Leid. Hunderttausende Flüchtlinge leiden Not in ihren Unterkünften, der IS könnte neue Terrorwellen in Europa starten und das Weltklima wird eventuell gerettet, eventuell aber auch nicht. Von Sorgen und Ängsten eingedeckt, schien es nicht unbedingt ein günstiger Zeitpunkt sich Friedrich Dürrenmatts satirische Komödie "Die Physiker" im Deutschen Schauspielhaus anzusehen. Lachen über eine durchaus reale Gefahr, die Auslöschung der Menschheit durch physikalische entartete Erkenntnisse, steht uns näher denn je. Bereits vor 50 Jahren war dies Dürrenmatt klar. Und so begann dieser Abend mit gemischten Gefühlen.
Die Geschichte
In der Heilanstalt "Les Cerisiers" wird eine Krankenschwester ermordet. Dies ist nun bereits die zweite innerhalb weniger Monate. Der angereiste Inspektor Voß erfährt von der Betreiberin und Ärztin Fräulein Mathilde von Zahnd, dass einer der drei Insassen, der sich selbst Albert Einstein nennt, sie ermordete. Der Versuch diesen zu befragen scheitert jedoch kläglich, da er leider Geige spielen muss. Auch die beiden anderen Bewohner, die Physiker Isaac Newton und Willy Möbius können ihm nicht weiterhelfen. Daraufhin reißt er unverrichteter Dinge wieder ab. Im weiteren Verlauf des Stückes stellt sich nun heraus, dass die drei Physiker keineswegs verrückt sind. Stattdessen handelt es sich um einen erfolgreichen Physiker, der seine Kenntnisse der Physik vor der Welt verstecken will, und zwei Geheimagenten, die versuchen an eben diese Kenntnisse zu gelangen. Damit beginnt ein aberwitziger Wettlauf um das Wissen von Willy Möbius.
Die Umsetzung des Stückes
Zwar mag die Geschichte von Friedrich Dürrenmatt bereits mehr als 50 Jahre alt sein und von den meisten Theaterzuschauern bereits gesehen worden sein, doch hat sie an Aktualität nichts verloren. Besonders den eigenwilligen satirischen Charakter des Stückes zu präsentieren ist stets eine Herausforderung an die Schauspieler. Im Deutschen Schauspielhaus wurde hierfür eine sich drehende Gebäudeattrappe verwendet. Deren geschickte Drehung während wilder Verfolgungsjagden durch das Haus, zahlreiche geheime Verstecke und gute Einsehbarkeit lieferten den Grundstock für diese gelungene Umsetzung. Geschickte musikalische Untermalungen während der aberwitzigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Geheimdienstagenten brachten das Publikum zum Lachen, ohne die Groteskheit der Situation zu verfehlen. Diese wurde stattdessen untermalt durch den immer wiederkehrenden "running Gag" der gegenseitigen Bedrohung mit anschließender Pattsituation. Gleichzeitig kam die Dramatik in diesem Stück niemals zu kurz. Die Ernstheit der Situation wurde untermalt durch den geschickten Einsatz moderner Lieder, wodurch es dem Deutschen Schauspielhaus gelang einem alten Stück neues Leben einzuhauchen.
Das Fazit
Zusammenfassend lässt sich über das Stück "Die Physiker" im Deutschen Schauspielhaus nur positives sagen. Einerseits trifft dieses Stück perfekt den Zeitgeist, wenn es denn Wettkampf um die Superwaffe von Willy Möbius dramatisiert. Andererseits zeigt es im gleichen Augenblick wie Kafkaesk dieser Wettstreit um die gegenseitige Vernichtung ist. Moderne Elemente gepaart mit Dürrenmatts einzigartigem Witz, lassen dieses Stück lebendig wirken und für einen Moment vergessen, was in der Welt vorgeht. Dennoch regt dieses Stück zum Nachdenken an und zwingt einen sich mit der Frage auseinander zu setzen ob das Gegenseitige vorenthalten von Informationen um besser zu sein, die Quintessenz des Zusammenlebens ist, wie wir es gerade führen.
Nachtrag: Das Abendblatt war mäßig begeistert.